Feuerwehr Coesfeld

Kyrill hat Kreis fest im Griff

Coesfeld. Am Abend macht Sturm-Tief „Kyrill“ richtig ernst: Reihenweise knicken Bäume im Kreis Coesfeld um, Straßen müssen gesperrt werden, Dauereinsatz für Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte. „Kyrill“ reißt Löcher in Dächer; Mülltonnen und Gebäudeteile donnern herum, das Licht flackert immer wieder. Ausnahmezustand.
Mit bis zu 140 km/h fegt „Kyrill“ über den Kreis Coesfeld. Die Pegelstände von Stever und Berkel klettern bedrohlich nach oben.
Um 21 Uhr meldet Georg Kersting, Leiter der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle des Kreises, 457 Einsätze. „Und das reißt nicht ab“, sagt er. Viel mehr kann er nicht sagen, er wird gebraucht. Pausenlos gehen Notrufe ein, pausenlos müssen Kersting und Kollegen Feuerwehr und Rettungsdienst im Kreis Coesfeld koordinieren. In Nordkirchen ist ein Baum auf eine Person gestürzt. Bei einem Unfall sind Menschen im Auto eingeklemmt. Das Ausmaß ist am Abend noch nicht absehbar. Riesige Schäden.
Bäume krachen auf Hochspannungsleitungen, auf Schienen, auf Straßen. Keller laufen voll Wasser, Ampeln drohen umzuknicken, es brennt. Der Zugverkehr liegt lahm.
Dabei war es noch bis zum frühen Nachmittag verhältnismäßig ruhig. Georg Kersting hat gute Nerven. „2002 war es schlimmer“, meint er. Damals wütete „Jeanett“. Aber als er das sagt, ist es 15.05 Uhr. Bis dahin koordinierte die Leitstelle gerade 45 Einsätze, und Kersting weiß, dass es schlimmer werden wird. Dass es noch nicht alles war, was „Kyrill“ von sich gegeben hat. Kerstings Blick ist die ganze Zeit auf die Bildschirme in der Leitstelle gerichtet. Fünf statt sonst drei Leute arbeiten hier jetzt. Zwischen 17 und 23 Uhr sollen die Orkanspitzen ihren Höhepunkt erreichen, meldet der Wetterdienst. Es kommt wie es kommen soll. Es werden hunderte von Einsätzen.
Bei der Polizei ist um 20 Uhr alles ausgedrückt, was da ist. „Es herrscht Chaos auf allen Straßen“, sagt ein Sprecher. „Kyrill“ hat den Kreis fest im Griff. Andauernd Einsatzalarm. „Wir fahren von einer Einsatzstelle zur nächsten“, so der Polizeisprecher. „Kyrill“ wütet, hält die Einsatzkräfte in Atem, die Anzahl der Einsätze kann die Polizei am Abend noch nicht zählen, noch nicht auswerten. Keine Zeit. Wenn die Feuerwehr einen Baum geräumt hat, ist der nächste schon wieder umgefallen.
Vormittags sind die Busunternehmen im Stress. Die meisten Schulen im Kreis Coesfeld machen wegen der Sturmwarnungen früher Schluss. Der Doppeldecker-Bus der Regionalverkehr Münsterland (RVM) bleibt im „Stall“. Aber das ist das geringste Problem. „Wir müssen etwa 10 000 Schüler gleichzeitig fahren“, sagt RVM-Sprecher Markus Kleymann. Denn die meisten Schüler werden nach der vierten Stunde nach Hause geschickt. 150 Busse rücken aus, vor den Schulen drängen sich Autos – Eltern, die ihre Kinder abholen.
Die Straßen in den Innenstädten sind schon mittags menschenleer. Selbst in der sonst belebten Fußgängerzone der Kreisstadt Coesfeld ist kaum jemand unterwegs. Kaputte Regenschirme liegen auf der Straße. Ein Mann kämpft sich durch den Wind. Er umklammert den Schirm, der aussieht als bestehe er aus zwei Schirmen. „Der hält bis Windstärke elf. Meine Frau hat mir den mitgegeben.“ Und weg ist er. Wie ein Gespenst auf leeren Wegen. Es ist stürmisch, aber es ist auch die Ruhe vor dem Sturm, vor dem richtigen Sturm.
Das Wasser in den Flüssen steigt. Die Berkel schreitet am Messpunkt Lutum bei Billerbeck um 21 Uhr auf 2,10 Meter zu, am Morgen waren es noch 60 Zentimeter. Der Warnwert liegt bei 1,80 Meter. Die Stever überschreitet am Messpunkt Senden-Schoelling bereits um 15 Uhr einen Meter – Alarmstufe 2. Um 21 Uhr steigt der Pegel auf über 1,80 Meter.

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Hier werden die Einsätze koordiniert: Georg Kersting (stehend), Leiter der Feuerwehr- und Rettungsdienstleitstelle, behält die Nerven. Der Sturm hält die Einsatzkräfte in Atem: Hier eine Kastanie in die Berkel bei Coesfeld gestürzt.
Foto: Ulrike Deutsch
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